Außerordentliche Kündigung eines Handelsvertretervertrages wegen Änderung der Vertriebsorganisation

  1. Bei der Abgrenzung zwischen Selbständigen und Unselbständigen ist weder isoliert auf die von den Parteien gewählte Einordnung des Vertrags oder die von diesen gewählte Bezeichnung als Angestellter oder Handelsvertreter noch allein auf die tatsächliche Durchführung des Vertrags abzustellen. Entscheidend ist das Gesamtbild der Verhältnisse unter Würdigung sowohl der vertraglichen Gestaltung als auch der tatsächlichen Handhabung des Vertrages. Wer in eigenem Namen und auf eigene Rechnung Büroräume anmietet, deutet zumindest im Außerverhältnis an, dass er als Selbstständiger tätig ist. Wenn zusätzlich feststeht, dass er – im Rahmen seines konkreten Beschäftigungsverhältnisses – für seine von ihm frei eingeteilte Tätigkeit variabel und erfolgsabhängig vergütet wird, ist er nicht Arbeitnehmer, sondern Handelsvertreter. Dem steht nicht entgegen, dass er „sozial abhängig“ tätig gewesen ist, denn dies nimmt dem Vertragsverhältnis nicht das selbständige Gepräge.
  2. Auch im Verhältnis zum Handelsvertreter ist es dem Unternehmer grundsätzlich unbenommen, selbständig zu disponieren und sein Vertriebssystem zu ändern, wenn er das für zweckmäßig und erforderlich hält. Wenn er einen unrentablen Geschäftszweig einstellt, berechtigt ihn dies grundsätzlich auch zur außerordentlichen Kündigung eines Handelsvertretervertrages. Daher liegt der fehlende wirtschaftliche Erfolg nicht nur in der Risikosphäre des Unternehmens, sondern auch in der des mit ihm vertraglich verbundenen Handelsvertreters; eine Grenze ist lediglich dort anzuerkennen, wo sich der Unternehmer willkürlich und ohne vertretbaren Grund über die schutzwürdigen Belange seiner Handelsvertreter hinwegsetzt.
  3. Grundsätzlich ist es zulässig, eine außerordentliche Kündigung mit einer Auslauffrist (fünf Monate) auszusprechen; solange sich dadurch nicht ergibt, dass es für den Kündigenden zumutbar wäre, den Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist abzuwarten.
  4. Ein Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters scheidet aus, wenn der Unternehmer, der aufgrund einer Geschäftsaufgabe keine Kundenbeziehungen mehr unterhält, hieraus keinen Vorteil zieht. Im Übrigen reichen Vorteile von Konzernunternehmen grundsätzlich nicht zur Begründung des Ausgleichsanspruchs aus (Anschluss EuGH, Urteil vom 26. März 2009 – C-348/07).

OLG München, Urteil vom 11.12.2024 – 7 U 4623/22

 

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Unzulässige Verjährungsverkürzung in AGB

In AGB ist eine Verjährungsabkürzung unwirksam, wenn diese auch Ansprüche wegen vorsätzlicher Vertragsverletzung erfassen können, weil derartige Ansprüche in der betreffenden Klausel nicht ausdrücklich ausgenommen sind. Auch eine daran anschließende Klausel mit der die „Herausnahme von Ansprüche(n), für die das Gesetz zwingend eine längere Verjährung bestimmt“ ändert an dem Verstoß gegen § 202 Abs. 1 BGB nichts, da eine solche pauschale Herausnahme in AGB nach § 307 BGB nicht möglich ist. Denn zum einen wird dadurch nicht hinreichend transparent gemacht, in welchem Umfang Abweichungen vom dispositiven Gesetzesrecht vereinbart werden und zum anderen kann das Verbot geltungserhaltender Reduktion von AGB nicht durch solche salvatorische Klauseln umgangen werden.

OLG München, Urteil vom 20. März 2024 Aktenzeichen  7 U 5781/22

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